Rückblick 7. #SoMeK mit der KVB
Es geht nicht mit ihnen und es geht auch nicht ohne sie. Lokale Verkehrsbetriebe stehen in den meisten Städten häufiger am Pranger als in der Gunst ihrer Kunden. Das ist bei den KVB in Köln nicht anders als beim HVV in Hamburg oder der BVG in Berlin. Wer in diesem Umfeld Social Media betreiben will, muss neben einem cleveren Konzept auch starke Nerven haben. Was braucht es sonst noch, um soziale Online-Netzwerke im Nörgelsektor erfolgreich zu bespielen? Antworten auf diese Frage erhielten die Teilnehmer des siebten #SoMeK am 22. April. Im Lokal K, den Räumen der Wikipedia-Community in Köln, führte uns Anke Eismann-Erpenbeck, Referentin für strategisches Marketing und Social Media bei der KVB, in die Welt der sozialen Online-Netzwerke von Kölns Verkehrsbetrieben ein.
Draußen bleiben geht nicht mehr
Wie so oft begann alles mit einer Kommunikationskrise. Schon lange bevor sich die KVB aktiv ins Social Media-Geschehen mischte, war das Unternehmen Online-Gesprächsthema bei seinen Kunden. So lange der Ton einigermaßen positiv blieb, war das in Ordnung. Aber dann gab es auf einmal Probleme: In den sozialen Online-Netzwerken überschlugen sich Diskussionen über martialische Werbung auf KVB-Bahnen und über angebliche Gestapo-Methoden vereinzelter Kontrolleure. Das Unternehmen stand in dieser brenzligen Situation außen vor und konnte mangels eigener Social Media-Kanäle nicht adäquat reagieren. Die Folge war ein Sinneswandel auf Management-Ebene. Nach anfänglichen Zweifeln gegenüber Facebook, Twitter und Co wurde klar: Draußen bleiben geht nicht mehr. Die Führungsebene gab grünes Licht für die Social Media-Aktivitäten der KVB.
Twitter zur Info, Facebook für den Dialog und youtube als Unterhaltung
Zunächst wurden alle Fachbereiche über die kommenden Änderungen in der Kommunikation informiert und mit Guidelines zum Umgang mit den neuen Medien versorgt. Der Startschuss fiel im Februar 2013 mit Twitter als programmiertem Info-Kanal der KVB. Im Oktober folgte der Facebook-Auftritt als Dialog-Plattform des Unternehmens. Im Mai 2014 kam youtube als Unterhaltungskanal hinzu. Eismann-Erpenbeck spickte ihren Vortrag mit amüsanten Anekdoten aus der Anfangszeit: Unvergessen bleibt beispielsweise der Tag des großen Facebook-Launches der KVB: Montag, der 21.10.2013 – das war ausgerechnet der Tag, an dem der Facebook-Dienst temporär offline war.
Die Maxime: Humorvoll, authentisch und auf Augenhöhe agieren
Inzwischen sind die Schrecken der Anfangszeit vergessen. Das dreiköpfige Social Media-Kernteam der KVB agiert stilsicher in den Social Media-Kanälen und liefert sich mit den Kunden mitunter unterhaltsame Wort-Duelle. Die Tonalität orientiert sich dabei am Tonfall der Kunden. Wer meint, auf den Social Media-Plattformen der KVB austeilen zu müssen, bekommt auch schon einmal eine knackige Antwort zurück. Kommentare unterhalb der Gürtellinie werden gelöscht, wenn sie der Netiquette widersprechen.
Kundenbeschwerden gehören zum Alltag im Nörgelsektor dazu. Laut Eismann-Erpenbeck handelt es sich bei etwa 30 bis 40 Prozent der Kundenpostings um Beschwerden oder negative Kommentare. Die Maxime der Online-Kommunikation lautet: Humorvoll, authentisch und auf Augenhöhe agieren. Besonders wichtig ist dabei die feine Prise Witz. „Humor kommt immer gut an“, sagt Eismann-Erpenbeck. Dies gilt besonders dann, wenn unerwünschtes Kundenverhalten geändert werden soll, wie beispielsweise das Parken auf den Schienen.
Im Schnitt braucht das Team 10 bis 15 Minuten, um auf Kundenanfragen zu reagieren. Dabei genießen die Mitarbeiter freie Hand und können ihre Antworten in Eigenregie und ohne langwierige Abstimmungsrunden mit der Unternehmenskommunikation oder gar dem Management platzieren – eine wichtige Voraussetzung für agiles und authentisches Kommunizieren im sozialen Online-Raum.
Kernstück der Social Media-Aktivitäten: ein motiviertes Team und Hausmacher-Konzepte
Das Social Media-Team der KVB spielt eine zentrale Rolle. Es bringt sich aktiv in das Geschehen ein und gibt der KVB nach außen ein Gesicht. Auf Fotos, in Beiträgen und Videos tauchen Social Media-Mitarbeiter und Angestellte der KVB immer wieder auf. Hinzu kommt, dass alle Aktivitäten hausgemacht sind: Texte, Konzeptideen, Drehbücher, Gewinnspiele, Fotos und Filme entstammen zu 100 Prozent der Schaffenskraft des kleinen Social Media-Teams. Die Mitarbeiter übernehmen Rollen in den youtube-Filmen des Unternehmens, und auch die twitternden Bus- und Bahnfahrer sind echt. Für die Social Media-Kommunikation wurden übrigens keine neuen Mitarbeiter rekrutiert. Es gibt auch kein extra Budget. Wohl auch deshalb werden fast alle Leistungen intern erbracht.
Wer nicht dabei sein konnte, kann sich die Präsentation_#SoMeK_KVB hier herunter laden und ansehen.
Vielen Dank an Anke Eismann-Erpenbeck für den offenen und interessanten Vortrag, Birgit Baumhof für Fotos und außerdem an Raimond Spekking vom Lokal K für die Bereitstellung von Raum und Technik und die unkomplizierte Schlüsselübergabe.
Stefan Schütz, einer der Teilnehmer, hat inzwischen auch einen Rückblick geschrieben, den ich sehr empfehlen kann. Ihr findet ihn hier.
sehr spannend, vielen Dank für den Einblick. Ich habe ganz ähnliche Aufgaben hier in Bern (http://bisculm.com/social-media-integrieren-wie-macht-es-der-regionalverkehr-bern-solothurn-praxisbeispiel-3–20156/)
Interessant ist vielleicht, dass bei uns der Grossteil des Dialogs auf Twitter stattfindet. Fast 90% der Kundenanfragen (jedenfalls im ersten Quartal).
Wie geht ihr mit Anfragen auf Twitter um?
Hi Caspar,
Anfragen auf Twitter beantworten wir (derzeit) gar nicht. Wenn wir auf Twitter in den Dialog gehen, möchten wir es auch richtig machen und sicherstellen, dass die Kunden auch innerhalb kurzer Zeit eine Antwort bekommen. Dies können wir aber personell nicht für jeden Tag gewährleisten.
Angelika vom VHH hat dies übrigens mal sehr gut in einem Blogbeitrag erläutert: https://blog.vhhbus.de/2015/01/19/fail-warum-antwortet-vhhbus-nicht-bei-twitter/
Dem können wir nichts mehr hinzufügen 🙂
VG, Anke
Liebe Anke,
vielen Dank für den Zusatzlink.
Ich habe den den sehr schlüssigen Hintergrundbericht über die Nutzung von Twitter gelesen und finde gut, dass Twitter unter @vhhbus zumindest als Infokanal betrieben wird. Es müssen nicht alle Funktionen einer Social Media Plattform ausgereizt werden.
Jeder kann unter der “Bio” einsehen, dass es sich nur um einen Infokanal handelt und an wenn Rückfragen gesendet werden sollen.
Dialog bzw. Social Media Arbeit gibt es nicht zum Nulltarif. Dafür muss auch das Personal bereit gestellt werden.
Liebe Grüße aus Oldenburg
Sebastian
Das ist doch schon einmal eine gute Content-Faustformel, die jeder versteht! „Twitter zur Info, Facebook für den Dialog und youtube als Unterhaltung“
Die werde ich künftig als Faust-Formel verwenden. Klasse Rückblick. Man bekommt einen guten Eindruck, wie der Abend verlaufen ist.
Und ein Wizard war als Spion des #SoMeD vor Ort… 😉